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Barrierefrei Wohnen

Was ist bei der Planung zu beachten ?

Bevor wir in die detaillierte Betrachtung der einzelnen Räume Ihrer Wohnung einsteigen, gibt es einige grundsätzliche Dinge, die Sie bei der Planung von barrierefreien Umbauten und Anpassungen wissen sollten. Wichtig sind hierbei immer die Grundsätze:

Planen Sie pragmatisch! Es macht keinen Sinn, Ihre Wohnung Sehbeeinträchtigungs-gerecht zu planen, wenn Sie selbst mobilitätseingeschränkt sind, es sei denn, Ihre gesundheitliche Prognose schließt eine spätere zusätzliche Sehbeeinträchtigung nicht aus.

Setzen Sie Prioritäten! Was ist für sie zeitnah wichtig und was kann noch etwas warten?

Denken Sie präventiv! Nicht selten stehen Sie plötzlich und überraschend vor der Herausforderung, barrierefrei Umbauen zu müssen. – z.B. in Folge einer plötzlichen Erkrankung. Geht diese Erkrankung mit einem dringenden Bedarf einher, bedeutet dies meist erhebliche Belastungen. Deshalb ist eine vorzeitige und frühe Umgestaltung auch dann sinnvoll, wenn noch keine Beeinträchtigungen bestehen. Vorausschauend zu planen heißt hierbei nicht, Maßnahmen, die erst für einen dringenden Bedarf notwendig sind, schon jetzt umzusetzen. Aber sie sollten generell Möglichkeiten schaffen, mit denen schnelle Anpassungen zu jedem Zeitpunkt möglich werden.
Schauen wir uns zu Beginn zunächst einmal die Häufigkeit der auftretenen Beeinträchtigungen in Deutschland an.

 

Beeinträchtigungszahlen

Quelle: Statistisches Bundesamt/REHADAT 2022

Sicherlich ist Ihnen aufgefallen, dass diese Zahlen zwar einen Bedarf erkennen lassen, aber z.B. nicht berücksichtigen, dass es leichtere und schwere Beeinträchtigungsformen gibt (Die leichteren sind nämlich nicht erfasst) und, wenn Sie an sich denken oder Ihren zu pflegenden Angehörigen, dass meist Multimorbidität vorhanden ist, d.h. die Kombination von den o.g. aufgeführten Beeinträchtigungen.

 

Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen

In den unterschiedlichen Lebensphasen verändern sich unsere dimensionalen (z.B. Platzbedarf), biologischen und kognitiven Ansprüche und Fähigkeiten. Diese erfordern früher oder später dementsprechend individuelle Anforderungen an unsere Wohnbedürfnisse.

 

Haushalte mit kleinen Kindern
Sie profitieren von schwellenlosen und übersichtlichen Wohnungen (z.B. wegen der Beaufsichtigung von Kleinkindern). Die Nutzung von Kinderwagen in der Wohnung wird durch ausreichende Bewegungsflächen und die Beseitigung von vertikalen Barrieren erheblich erleichtert. Im Hinblick auf die Kinder stellt der Abbau von Barrieren einen wichtigen Bestandteil der kindgerechten Gestaltung dar, die dem Kind dabei hilft seine körperlichen, sensorischen und feinmotorischen Fähigkeiten ohne Einschränkung und unfallfrei zu erlernen.

 

Mittlere Lebensphase
Berufstätig, 45 - 65 Jahre alt. In dieser Lebensphase macht man sich häufig bereits Gedanken über die Wohnsituation im Alter. Es sind zwar noch keine körperlichen Beeinträchtigungen vorhanden, aber die Vorstellung, dass man "mal nicht mehr so kann" ist oft schon vorhanden. Hier werden nicht nur Wohnlösungen gesucht, die Erleichterungen im täglichen Leben mit sich bringen, für diese Personengruppe ist eine barrierearme Gestaltung der Wohnung mit der Möglichkeit später barrierefreie Maßnahmen ohne großen Aufwand treffen zu können, besonders wichtig.

 

Rentenalter
Ältere Menschen streben eine langfristige Selbständigkeit in ihren eigenen 4 Wänden in gewohnter Umgebung und Nachbarschaft an. Um diese trotz nachlassenden motorischen Fähigkeiten und eingeschränkter Mobilität gewährleisten zu können, ziehen sie eine entsprechende altengerechte bauliche Nachrüstung und Versorgung dem "Leben im Heim" vor. Letzteres verkörpert für die Mehrheit unbezahlbare Kosten, Bevormundung und den Verlust von Lebens- qualität. Außerdem besteht Angst vor Immobilität und Vereinsamung. Die ideale Wohnung müsste demnach weitgehendst barrierefrei sein, um älteren Menschen ein aktives Leben in einer selbstbestimmten Umgebung zu ermöglichen.

Mit dem Alterungsprozess verändern sich bei uns allen die Fähigkeiten und die Bedürfnisse. Kommen dann noch Krankheiten hinzu, spricht man schnell von "verminderten körperlichen Möglichkeiten". Beeinträchtigungen lassen sich unterscheiden durch Grad, Form oder Ursache einer Beeinträchtigung. Um auf diese "Jeder Jeck ist anders- Eigenschaft der Menschen möglichst konkret und angemessen mit baulichen Maßnahmen und Eigenschaften reagieren zu können, unterscheiden Normierungs- und Richtlinieninstanzen wie die DIN oder EURECERT® generell vier Formen von Beeinträchtigungen: 1. Sehen, 2. Hören, 3. Beweglichkeit und 4. Denkvermögen.

 

Sehen

Menschen mit Sehbeeinträchtigungen orientieren und informieren sich überwiegend visuell. Erblindete hingegen kompensieren das Sehen durch Hören und Ertasten. Bei der Planung des Platzbedarfs muss der Langstock berücksichtigt werden. Aber, man sollte bedenken, dass sich mit dem Alterungsprozess die Struktur des Auges generell verändert. Was kann passieren: Die Sehschärfe verringert sich, ebenso das Gesichtsfeld (von ca. 175° in jungen Jahren) auf ca. 139°. Ältere Menschen reagieren empflindlicher auf Lichtreize und -blendung. Außerdem wird die Farbwahrnehmung gestört (z.B. Gelbsehen). Letztlich vergrößert sich der kleinste Abstand, um Objekte scharf zu sehen (Akkomodationsbreite) von 10 cm auf mehr als 50 cm und die Geschwindigkeit bei der Anpassung an wechselnde Lichstärken verringert sich auffällig (Adaptation). Für die eigenen 4 Wände bedeutet dies insgesamt, Hindernisse und mögliche Stoßkanten zu vermeiden. Außerdem werden Bewohner durch kontrastreiche, großflächige Gestaltungen, blendfreie und ausreichende Beleuchtung unterstützt. Sie unterstützen diese Bewohner vor allem durch einfache Raumstrukturen und unbedingte Anwendung des Zwei-Sinne-Prinzips.

Zur Vertiefung des Themas:
Ermittlung von Kontrasten und Leuchtdichte

 

Hören

Generell wird unterschieden zwischen schwerhörend und gehörlos. Schwerhörende sind in der Kommunikation akustisch, Gehörlose visuell ausgerichtet. Wichtig ist daher für Menschen mit Hörbeeinträchtigung eine Gestaltung nach dem Zwei-Sinne-Prinzip. Die Vermeidung von Störgeräuschen, die Beachtung der Nachhallzeit, gute Sichtbeziehungen und optimal belichtete und beleuchtete Räume bilden hier die Basis für eine gelungene Barrierefreiheitsplanung.

 

Beweglichkeit

Alters- und/oder krankheitsbedingte Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates äußern sich durch eingeschränkte bzw. fehlende Körperkraft, Kondition oder Balance (Gleichgewicht), die verminderte Bewegungsfähigkeit der sogenannten Extremitäten (Hände, Arme, Beine und Füße), der Inmobilität des ganzen Körpers oder abweichender anthropometrischer Voraussetzungen ( z.B. Kleinwuchs, Kinder). Für alle diese Beeinträchtigungen sind ausreichend bemessene Bewegungsflächen, Ebenerdigkeit und ausreichende Durchgangsbreiten elementar. Angepasste Greif- und Bedienelemente, Stütz- und Haltevorrichtungen sowie geringer Kraftaufwand (Kleiner-Finger-Regel) unterstützen die Lebensqualität und ermöglichen Mobilität.

Zur Vertiefung des Themas:
Maßverhältnisse des menschlichen Körpers (Anthropometrie) sowie ergonomische Grundlagen

 

Denkvermögen

Ein funktionierendes Denkvermögen (sog. kognitive Fähigkeiten) ermöglichen es, sich auf sich ändernde Situationen einzustellen und entsprechend zu reagieren. Beeinträchtigungen, die das Erkennen, sich Erinnern, Denken und Schluss folgern betreffen, sind häufig bei Senioren, lernbeeinträchtigten oder an Demenz erkrankten Menschen ausgeprägt vorhanden. Sichtbar werden diese durch langsame Informationsverarbeitung, verzögertes Handeln, Gedächtnisprobleme oder Multitaskingprobleme. Sie unterstützen auch diese Bewohner durch einfache Raumstrukturen oder die Verwendung von Bildsymbolen.

Zur Vertiefung des Themas:
Verwendung von Bildsymbolen

 

Zwei Sinne Prinzip

Wir nehmen im Alltag Informationen über unsere Sinne wahr (85% visuell und 10% auditiv). Wenn ein Sinn ausfällt, dann sind entsprechende Informationen über einen anderen notwendig. Wenn Sie barrierefreie Umbaumaßnahmen und Anpassungen planen, achten Sie darauf, für zwei der drei Sinne "Hören, Sehen oder Tasten" Lösungen vorzusehen. Warum? Einen teilweise ausgefallenen Sinn (z.B. Sehbeeinträchtigungen)kann man durch ein Hilfsmittel (hier: Brille) unterstützen. Man könnte aber auch den zweiten Sinn (z.B. eine Ansage) zur Unterstützung hinzufügen. Fällt ein Sinn vollständig aus (z.B. Erblindung) sind Informationen/Hilfsmittel allein über bzw. für den ersten Sinn (also die Brille) absolut nutzlos. Die Ansage, sprich der 2.Sinn ersetzt also den 1.Sinn. Voila, das Zwei-Sinne-Prinzip. Es handelt sich also um die gleichzeitigen Informationsvermittlung durch zwei Sinne. Dies kann die Kombination des Tast- und Sehsinnes, des Seh- und Hörsinnes oder des Hör- und Tastsinnes sein. Relevant ist dies immer, wenn einer der Sinne ausfällt oder eingeschränkt ist und durch den anderen Sinn ersetzt werden kann.

 

Barrierearten

Berücksichtigung finden individuelle Anforderungen an das barrierefreie Wohnen auch aufgrund der Betrachtung der verschiedenen möglichen Barrieren. Barrieren sind zum einen Hindernisse, die das Erreichen von zwei räumlich voneinander getrennten Bereichen erschweren bzw. unmöglich machen, wie z.B. Stufen, unzureichende Orientierungsmöglichkeiten oder Bewegungsflächen. Zum anderen sind damit auch Hindernisse bei der Bedienung von räumlichen Objekten oder Geräten, wie z.B. die Benutzung von Sanitärgegenständen und -armaturen, das Öffnen von Schränken sowie die Erreichbar- und Bedienbarkeit von Haushaltsgeräten, gemeint. Diese Barrieren können in folgende Gruppen unterschieden werden:

 

Horizontale Barrieren
Horizontale Barrieren beeinträchtigen die räumliche Fortbewegung. Unzureichende Durchgangsbreiten stellen vor allem für Nutzer von Mobilitäts- und Gehhilfen (Rollstuhl, Rollator,...) eine Barriere dar. Beispiele: zu schmale Türen, zu enge Zugangswege und Flure

 

Vertikale Barrieren
Vertikale Barrieren stellen Höhenunterschiede im Fußbodenniveau dar, die nur mit Schwierigkeiten überwunden werden können. Für Kleinkinder, alte Menschen, Gehbeeinträchtigte und Rollstuhlfahrer sind sie das größte, oft auch unfallträchtige Hindernis. Beispiele: Treppen, Stufen, Schwellen oder Absätze im Zugangsbereich, an Gebäude- bzw. Wohnungseingängen und Raumübergängen etc.

 

Räumliche Barrieren
Räumliche Barrieren entstehen bei unzureichenden Bewegungsflächen beim Gehen, Drehen, Wenden und Arbeiten. Beispiele: zu kleine Räume und Flure, zu wenig Platz vor und hinter Türen

 

Ergonomische Barrieren
Ergonomische Barrieren behindern die uneingeschränkte Nutzung, Erreichbarkeit und Bedienbarkeit von Einrichtungen und Gegenständen des Alltags Beispiele: Haltegriffe, Schalter, Thermostate etc., Bedienelemente an Türen oder Möbeln, Wohnungseinrichtung

 

Sensorische Barrieren
Sensorische Barrieren bilden insbesondere für Erblindete, Gehörlose, Seh- oder Hörbeeinträchtigte. Sie alle sind darauf angewiesen, fehlende Sinneswahrnehmungsmöglichkeiten mit den verbleibenden zu kompensieren. Beispiele:kontrastlose Gestaltung, schlecht wahrnehmbare Informationen, ungenügende Beleuchtung

 

Nutzungsprofile von Wohnungen

Abschließend noch ein wichtiger Hinweis! Bevor Sie mit der Planung von wohnumfeldverbessernden Maßnahmen beginnen, denken Sie bitte auch daran, in welchen Besitzverhältnissen sich Ihre Wohnung befindet.

 

Mietwohnung
Insofern aus Sicht des Mieters ein berechtigtes Interesse vorliegt, muss gemäß Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 554 BGB) der Vermieter einem Umbau dulden. In jedem Fall braucht es für die barrierefreie Umgestaltung der Zustimmung des Vermieters. Der Vermieter kann bei Auszug einen Rückbau verlangen.

 

Eigentumswohnung
Hier haben Sie innerhalb Ihrer eigenen 4 Wände alle Freiheiten bezüglich barrierefreier Umbauten. Aber auch hier benötigen bei Veränderungen am Gemeinschaftseigentum (Eingang, Treppenhaus etc.) die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft. Der §20 Absatz 2 Satz 1 des Wohnungs- eigentumsgesetzes (WEG) bestimmt hierzu: "Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung dienen.

 

Alleiniges Eigentum
Hier haben Sie selbstverständlich alle Freiheiten für barrierefreie Umbaumaßnahmen auf dem gesamten Grundstück.

 

© EUKOBA e.V. / EURECERT®
Die Inhalte dieser Seite wurden produktneutral und werbefrei erstellt.
Alle Maßnahmen gelten als wohnumfeldverbessernde Maßnahmen gem. §40 Abs.4 SGB XI
Grundlage sind die geltenden Normen sowie die EURECERT® Güterichtlinie (EU-GS 904)